Verlorene Kirche in Leipzig: Markuskirche Reudnitz

Die Markuskirche zu Reudnitz um 1900

Reudnitz, ein Stadtteil im Osten von Leipzig, bis 1888 eigenständige Gemeinde. Wie viele sächsische Gemeinden damals mit ordentlicher Portion Selbstbewusstsein, wie die stolze Orts-Kirche mit ihrem 67 Meter aufragenden Kirchturm zeigt.

Wer heutzutage durch Reudnitz streift, hält vergeblich nach einer Kirche Ausschau. Nichts erinnert daran, dass es dort einmal ein beeindruckendes Gotteshaus gegeben hat. Es ist aus dem Ortsbild verschwunden – vor mehr als vierzig Jahren. Und offenbar auch aus der öffentlichen Erinnerung.

Die Markuskirche zu Reudnitz war ein evangelisch-lutherischer Sakralbau, sie wurde 1884 nach Plänen von Gotthilf Ludwig Möckel (1838–1915) im Stil der Neugotik errichtet. 94 Jahre später, im Jahr 1978, wurde sie gesprengt – wegen nicht verhinderter Baufälligkeit.

Sie stand auf dem Grundstück Dresdner Straße 61, wo mehr als 300 Jahre lang ein Friedhof mit einer kleinen Kapelle war.

Die aus gelbem Backsteinen errichtete Kirche war knapp 37 Meter lang und fast 29 Meter breit – also entsprechend der Platzvorgabe relativ klein. Dafür war die Turmhöhe im wörtlichen Sinne herausragend: der markante, städtebaulich dominante Kirchturm war 67 Meter hoch.

Das Kirchengebäude erstreckte sich von Süd nach Nord und lag quer zur Straße, Kirchturm und Haupteingang befanden sich an der Dresdner Straße. Nachdem die Kirchgemeinde am 1. Januar 1880 selbstständig geworden war, beauftragte sie den Architekten Gotthilf Ludwig Möckel aus Dresden mit der Projektierung ihres Kirchenneubaus. Der entwarf Gebäude samt Ausstattung, Ausmalung sowie Kirchengerät und fand damit Zustimmung.

Die Grundsteinlegung für den insgesamt 298.000 Gold-Mark teuren Bau erfolgte am 11. Mai 1882, bereits sieben Monate später war das Richtfest. Am 23. März 1884 wurde die Kirche eingeweiht, sie hieß seit 1889 „St. Markuskirche“. 1903 gestaltete Möckel sie innen farblich neu.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Markuskirche beim britischen Luftangriff auf Leipzig in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 Schäden: Druckwellen von Luftminen zerstörten zahlreiche ihrer Fenster. Doch anders als etwa die Johanniskirche, die Matthäikirche und die Trinitatiskirche in Leipzig konnte das Gotteshaus weiter genutzt werden. 1953 wurde das Kirchen-Innere umfassend erneuert, 1954 eine neue Orgel gebaut und 1957 neue Glocken geweiht.

Die Kirche diente Generationen regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Reudnitz. Sie war Stätte für gemeinsame Hoffnung, Zuversicht, Freude und Leid.

Jedoch: Wegen Geld- und Material-Not in der DDR blieben in den 1950er und 1960er Jahren dringend erforderliche Bau-Erhaltungs-Arbeiten aus. Der bauliche Zustand der Markuskirche zu Reudnitz verschlechterte sich von Jahr zu Jahr.

Zwar hatte damals die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, zu der der Sakralbau gehörte, über die General-Reparatur beraten. Doch diese wurde – wohl wegen des damals als unverhältnismäßig hoch empfundenen Kostenaufwands – abgelehnt. So verfügte man schließlich 1973 das Ende des Kirchenbauwerks.

Der letzte Gottesdienst der Markus-Kirchgemeinde in ihrer Markuskirche fand am 4. November 1973 statt. 1974 wurden Kunstgut und Inventar aus dem Kirchgebäude gebracht, am 28. Februar 1978 der Grundstein der Kirche gehoben. Am 25. Februar 1978, fast viereinhalb Jahre nach ihrer letzten Nutzung, wurde das Kirchenschiff gesprengt, am 4. März 1978 der Kirchturm. Amateurfilm-Aufnahmen davon – damals wohl eher klammheimlich gedreht – sind heute bei Youtube zu sehen.

Die Trümmer der Kirche kamen nach Leipzig-Probstheida in den Park an der Etzoldschen Sandgrube – zehn Jahre zuvor waren dorthin die Reste der gesprengten Universitätskirche Leipzig gebracht worden. 1984 wurde im Markus-Pfarrhaus ein Saal zur Markuskapelle gestaltet.

Möckels Kirchen-Entwurf von 1881

Blick in die Markuskirche zu Reudnitz, Aufnahme um 1900


Die Markus-Kirchgemeinde ist bis heute ohne eigenes Kirchengebäude geblieben. Dort, wo an der Dresdner Straße 61 fast hundert Jahre die Kirche stand, ist heutzutage eine achtlos-ungepflegte Grünfläche als Warteplatz an der Straßenbahn-Haltestelle.

Reudnitz hat 1978 mit der Sprengung seiner Kirche mehr als nur sein architektonisch überragendes Wahrzeichen verloren.

Koordinaten: 51° 20′ 19,8″ N, 12° 24′ 13,2″ O

Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sammlung Leipziger Vororte Rd. 26, abgebildet in: Heinrich Magirius/Hanna-Lore Fiedler: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Sachsen. Stadt Leipzig. Die Sakralbauten. Deutscher Kunstverlag, München 1995

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_Reudnitz

https://dreifaltigkeitskirchgemeinde-leipzig.de/gemeinde/geschichte/

Video von der Sprengung der Markuskirche 1978: https://www.youtube.com/watch?v=TyLnGZuuz8I

Verlorene Kirche in Magdeburg: Heilige-Geist-Kirche

Heilige-Geist-Kirche

Es war in Magdeburg im Jahr 1214, als der Grundstein für den Bau der Heilige-Geist-Kapelle des zeitgleich gegründeten Hospitals gelegt wurde. Im Laufe der folgenden zwei Jahrhunderte gab es mehrere bauliche Erweiterungen, 1490 wurde erstmals die Heilige-Geist-Kirche erwähnt.

1524 führte Franziskanermönch Johannes Fritzhans die Reformation ein – das Gotteshaus war nun evangelische Pfarrkirche. 1631 beim Tilly-Angriff auf Magdeburg wurde die Kirche ein Opfer der Flammen, ihr Wiederaufbau dauerte bis 1693. Im 17. Jahrhundert war ein gewisser Heinrich Telemann deren Diakonus – er ließ 1681 dort seinen Sohn Georg Philipp Telemann taufen.

Das als „äußerlich schmuckloseste aller Magdeburger Gotteshäuser“ geltende Bauwerk hatte an der Westseite einen niedrigen Kirchturm mit schlankem, zwiebelspitzförmigem Turmhelm als barocke Haube. Das Innere der Kirche wirkte überraschend weitläufig. Im Mittelschiff trug sie ein gotisches, mit Sternenmuster geschmücktes Gewölbe.

Mehrfach bot die Heilige-Geist-Kirche anderen Kirchgemeinden Asyl für Kirchgemeinden, die ihre Kirchen verloren hatten: 1806 und 1813 für Dom und St. Ulrich und 1951 für alle Innenstadtgemeinden.

Im Zweiten Weltkrieg 1945 brannte die Kirche nach Bombenangriffen aus. 1948 begann ihr Wiederaufbau als Notkirche für fünf der sechs innerstädtischen Kirchgemeinden in Magdeburg. Dieser war – trotz ausländischer Unterstützung – mühselig und musste mehrfach unterbrochen werden. Doch seit Pfingsten 1951 gab es dort wieder Gottesdienste.

Jedoch stand das Gotteshaus den Planern des sozialistischen Stadt-Aufbaus im Wege – und zwar im wörtlichen Sinn. Magdeburgs SED-geführte Stadtspitze bewies ihre Kompromisslosigkeit und statuierte ein Exempel: Diese nach dem Krieg wiederaufgebaute Kirche wurde Ende Mai 1959 staatlicherseits gesprengt. Noch 1957 hatte die Firma Orgelbau A. Schuster & Sohn aus Zittau eine zweimanualige Orgel mit 27 Registern und elektropneumatischer Traktur in die Heilige-Geist-Kirche eingebaut. Diese Orgel wurde nach der Sprengung der Kirche im Dom aufgestellt, sie zog 1975 erneut um und fand in der Kirche St. Nicolai in der Neuen Neustadt ihr neues Zuhause – in reduzierter Form und ohne Orgel-Prospekt.

Heute gehört die Heilige-Geist-Gemeinde zur Kirchengemeinde Magdeburg-Altstadt und ist in der Wallonerkirche zuhause. Am einstigen Standort der Heilige-Geist-Kirche, der heutigen Straße namens Goldschmiedebrücke auf Höhe der Regierungsstraße, erinnert ein kleines Bronze-Modell an das historische Gotteshaus.

Koordinaten: 52° 7′ 45,8″ N, 11° 38′ 15,4″ O

Bildquelle: Otto Peters, Magdeburg und seine Baudenkmäler, Verlagsbuchhandlung Fabersche Buchdruckerei Magdeburg 1902

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Heilige-Geist-Kirche_(Magdeburg)

https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-magdeburg

https://www.kompakt.media/telemanns-taufkirche/

Stadtkirche Trebsen bei Grimma

Stadtkirche Trebsen bei Grimma


Heute geht es um ein eindrucksvolles Gotteshaus nahe Grimma – mit einem besonderen Deckengemälde. Die Stadtkirche zu Trebsen ist der Sakralbau der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in Trebsen/Mulde nahe Grimma im sächsischen Landkreis Leipzig.

Die Stadtkirche Trebsen ist eine große romanische Saalkirche aus dem 12. Jahrhundert mit eingezogenem spätgotischem Chor mit 3/8-Schluss aus dem Jahr 1518. Der Baukörper ist ein verputzter Bruchsteinbau mit Strebepfeilern, Maßwerkfenstern und hohem Satteldach. Der Sakralbau ist steinernes Zeugnis für neun Jahrhunderte christlicher Bau-, Kultur- und Kirchengeschichte der Region. Er ist geprägt von Romanik, Gotik, Barock, Klassizismus und Historismus.

Der Kirchturm entstand 1552 an der Westseite der Kirche und brannte 1729 ab, wobei auch das Pfarrhaus Feuerbeschädigungen erlitt. Er bekam 1731 die vom Zimmermeister Johann Gebhard aus Trebsen erbaute Zwiebelhaube.

Zu sehen sind zahlreiche Epitaphe, so etwa die aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts stammende Reliefgrabplatte der Judita von Trebissen, figürliche Grabmäler von Patronsherren und Pfarrfamilien und ein lebensgroßes Kruzifix (um 1500).

Die Glasmalereien im Altarraum von 1912 zeigen den Auferstandenen sowie die Stifter-Fabrikantenfamilie Wiede. Die einstige Sakristei beherbergt ein Kriegergedächtnis mit einer Pieta von 1923 und mit einem Glasmalereifenster von 1953. Die Platte (Mensa) des Altars gehörte seit 1686 zur Klosterkirche Grimma und ist seit den 1990er Jahren in der Evangelisch-lutherischen Stadtkirche zu Trebsen zu Hause.

Biblisches Ereignis in luftiger Höhe

Der Innenraum wurde nach 1700 barock ausgestattet. Die einzigartige Besonderheit des Gotteshauses ist in luftiger Höhe zu sehen: Das hervorragend erhaltene, großformatige ovale Deckengemälde von 1701 zeigt die Himmelfahrt des Elia – der Schöpfer dieses farbenfrohen Kunstwerks war Johann Nikolaus Wilke.

Orgel

Die erste Orgel gab es in der Zeit um 1600, im Jahr 1833 baute Beyer aus Großzschocher ein neues Instrument ein. Die jetzige Orgel schuf Hermann Eule Orgelbau Bautzen als Opus 161; sie wurde 1926 gestiftet. Das Instrument hat 19 Register, zwei Manuale und Pedal.

Glocken

Die älteste überlieferte Glocke der Stadtkirche Trebsen, eine Bronzeglocke mit dem Schlagton b′, goss im Jahr 1897 die Gießerei C. Albert Bierling aus Dresden; sie hat einen Durchmesser von 840 Millimeter und ein Gewicht von 240 Kilogramm.

Die größeren und schwereren Glocken mussten im Ersten Weltkrieg als sogenannte Metallspende des deutschen Volkes für Rüstungszwecke abgegeben werden und wurden eingeschmolzen.

Das Geläut konnte erst 1950 mit zwei Bronzeglocken aus der Glockengießerei Schilling in Apolda wieder vervollständigt werden; sie haben die Schlagtöne es′ (unterer Durchmesser 1200 mm; ca. 975 kg) und g′ (unterer Durchmesser 1050 mm; ca. 490 kg).

Historisches Areal

Auf dem Pfarrhof sind das Diakonat aus dem 16. Jahrhundert mit Doppelportal aus Rochlitzer Porphyrtuff und das Pfarrhaus aus dem 16. und 18. Jahrhundert mit Sitznischenportal (um 1520) zu sehen. Die Stadtkirche Trebsen ist eine Station des Lutherwegs. Das Gotteshaus steht mit der Nummer 08966137 auf der Liste der Kulturdenkmale in Trebsen/Mulde.

Weitere Besonderheiten

Auch eine Besonderheit ist die Sonnenuhr an der Kirche, deren Anschaffung in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs belegt ist. Sie trägt – stark verwittert – die Aufschrift: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (Psalm 31,16).

Die einseitig gebaute zweite Empore hat die architektonische Besonderheit, dass sie an der Kirchendecke befestigt ist – und nicht wie sonst üblich auf Bodensäulen ruht. Auf dieser Empore stehen die ursprünglichen Männerbänke ohne Rückenlehnen von 1755: Die Männer saßen damals in Kirchen oben, die Frauen unten – mit Gerade-aus-Blick zu Kanzel und Altar. Und mit Rückenlehnen an den Bänken.

Koordinaten: 51° 17′ 20,5″ N, 12° 45′ 21,2″ O

Die Stadtkirche Trebsen auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtkirche_Trebsen

Verlorene Kirche in Magdeburg: Lutherkirche Friedrichstadt

Magdeburg hat dieses Lutherdenkmal, doch die Lutherkirche wurde 1951 aus dem Stadtbild radiert.

Die Lutherkirche war eine evangelische Kirche in der Friedrichstadt, Magdeburgs jetzigem Stadtteil Brückfeld: Preußens König Friedrich Wilhelm II. schenkte sie am 8. Mai 1798 der Kirchgemeinde, Standort war der Heumarkt nahe der heutigen Anna-Ebert-Brücke. 1820 steuerte die Stadt eine Orgel als Geschenk bei, 1822 wurde eine Kirchenglocke angeschafft und 1824 die Turmuhr.

Da die Einwohnerzahl und damit auch die Zahl der Gläubigen wuchsen, wurde sie bald zu eng. 1847 wandte sich die Kirchgemeinde mit dem Anliegen, ein neues Gotteshaus zu bauen, an die preußische Regierung; der Neubau wurde am 4. November 1865 bewilligt.

Die Grundsteinlegung erfolgte 1880. Es entstand ein neogotischer Backsteinbau mit vier Jochen im Stil norddeutscher Backsteingotik, der Ostgiebel war nach bürgerlicher Hanse-Architektur gestaltet. Das neue Kirchengebäude wurde 1882 geweiht. Fünfzehn Jahre später, am 22. Januar 1897, erhielt es den offiziellen Namen Lutherkirche – genehmigt vom König am 12. April 1896.

Die Kirche diente Generationen regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Magdeburg. Sie war Stätte der Gemeinsamkeit für Hoffnung, Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.

Am 21. Januar 1944 wurde die Kirche beim britischen Luftangriff schwer getroffen und beschädigt. Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit demselben Schicksal wünschten sich die Christen in Magdeburg das Wiedererstehen ihrer Kirche.

Es blieb ein frommer Wunsch. 1951 folgte der Abriss der teilzerstörten Lutherkirche. Bei dieser Entscheidung gab es politischen Druck: Der Kirchgemeinde wurde zum Ausgleich ein anderes Grundstück zugewiesen – ein klarer Hinweis für die damalige staatliche Einflussnahme auf das Kirchen-Aus.

Hinzu kam: Auf dem Ausgleichsgelände waren irgendwelche kirchliche Aktivitäten oder gar ein Kirchenneubau völlig unmöglich: Besitzer dieses Grundstücks war die Rote Armee der Besatzungsmacht Sowjetunion – was in Magdeburgs Rathaus selbstverständlich bekannt war. Die abgefeimte Zwangs-Zuweisung des de facto nicht nutzbaren Grundstücks – sie war eine bis dato beispiellose Selbst-Demaskierung der SED-Staatslenker: Nur selten traten deren tatsächliche Denkweise und deren machtkalter Umgang mit dem Thema Kirche im selbsternannten Arbeiter-und-Bauern-Staat so ungeschminkt zutage.

Doch selbst solche Vorgehensweise war in der DDR noch steigerungsfähig: In Karl-Marx-Stadt informierte am 27. Februar 1961 das Stadtbauamt, das Kirchen-Grundstück der St.-Pauli-Kirche werde „für den Bau von achtgeschossigen Wohnblöcken in Anspruch genommen“. Gegen das sogenannte „Aufbaugesetz“ der DDR war kein juristischer Widerspruch zulässig. Zugleich wurde die Grundstücks-Enteignung verfügt – rückwirkend zum 1. Januar 1961. Übrigens: Die Rote Armee nutzte jenes Grundstück in Magdeburg noch mehr als vier Jahrzehnte – bis zum Abzug der sowjetischen Truppen aus dem wiedervereinigten Deutschland 1994.

Die Kirchgemeinde – seit 1986 unter dem Namen Trinitatisgemeinde mit Magdeburgs St. Johannisgemeinde vereint – nutzte fortan das Gemeindehaus „Ida-Hubbe-Stift“ als Ort ihrer Gottesdienste.

Weitere Kirchen fielen in Magdeburgs Innenstadt der SED-Städtebaupolitik zum Opfer. Bis 1964 wurden in Magdeburg außer der Lutherkirche folgende Kirchen gesprengt und abgerissen: Heilig-Geist-Kirche, St. Ulrich und Levin, St. Katharinen, St. Jakobi, die Martinskirche, die Deutsch-Reformierte und die Französisch-Reformierte Kirche sowie die zwei säkularisierten Kirchen Zeughaus, einst St. Nikolai, und die Evangelische Schule, einst Franziskanerkloster.

„Die meisten Kirchen hätten gerettet werden können“, sagte Christian Halbrock, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Berlin, im Jahr 2018 laut Kirchenzeitung „Glaube und Heimat“. Doch das widersprach den SED-Plänen zur sozialistischen Umgestaltung von DDR-Bezirksstädten nach dem Vorbild der Sowjetunion – etwa mit mehrspurigen Magistralen für Aufmärsche. Zudem: „Kirchengebäude und das Wächteramt der Kirchen störten bei der Umerziehung zum ›neuen Menschen‹“. Wenn eine Stadt in der DDR Bezirksstadt wurde, bedeutete dies das politisch erzwungene Aus für zahlreiche historische Bauwerke verschiedenster Art.

Heute ist in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt der Standort der Lutherkirche nicht mehr zu erkennen: Zur DDR-Zeit wurden darauf Plattenbauten errichtet. Wohl wenigen Mietern dürfte bekannt sein, auf welchem historischen Grund und Boden ihr Wohnhaus steht.

Koordinaten: 52° 7′ 40,9″ N, 11° 39′ 24,2″ O

Hinweis: Von dieser Kirche ist leider kein frei verwendbares Foto verfügbar.

Foto Andrzej Otrębski, CC BY-SA 4.0, https https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Magdeburg_pomnik_Lutra.jpg

Verlorene Kirche in Chemnitz: St.-Nikolai-Kirche

St.-Nikolai-Kirche

Eine schlichte steinerne Gedenktafel. Sie ist eingelassen in eine Stützmauer entlang der Stollberger Straße in Chemnitz – und leicht zu übersehen. Die Tafel erinnert an die Nikolaikirche, eine der ältesten Kirchen der Stadt. Wenige Meter von da ragte sie gen Himmel und gehörte für viele Generationen zum Ortsbild.

Mitte des 12. Jahrhunderts siedelten Fernhändler nahe der Chemnitzfurt, sie bauten zu Ehren ihres Schutzpatrons eine hölzerne Kapelle. Eine Urkunde von 1331 erwähnt den Nikolaikirch-Innenhof und ist damit ältestes Zeugnis. 1486 wurde die Nikolaikirche neu erbaut, 1532 brannte sie ab und wurde 1550 wieder aufgebaut. Mit der Eingemeindung 1844 wurde St. Nikolai städtische Kirchgemeinde. Letztmals erneuert wurde der Sakralbau 1789.

Am 20. Januar 1882 folgte die Schließung – die Kirche war nicht nur zu klein geworden, sondern offenbar auch akut baufällig: Weder ein Abschiedsgottesdienst noch ein letztes Geläut waren möglich. Die Nikolaigemeinde nutzte als Gast fortan die nahegelegene Paulikirche. Ab 24. November bis Jahresende 1884 wurde die alte Kirche abgerissen.

Im Herbst 1885 begannen die Fundament-Arbeiten für das neue Gotteshaus, am 28. April 1886 war Grundsteinlegung. Den Entwurf als neugotische Hallenkirche mit 750 Plätzen schuf Architekt Christian Gottfried Schramm aus Dresden – sie wurde Schramms Referenzobjekt für weitere Kirchen in der Umgebung. Kirchweihe war am 7. März 1888.

Innen gab es figürliche Farbverglasungen, erschaffen von Glasmaler Bruno Urban aus Dresden. Das Altarrelief mit dem Motiv des heiligen Abendmahls stammte von Bildhauer Oskar Rassau aus Dresden. Auch die Orgel mit 27 Registern und das Bronzeglocken-Geläut kamen von Meistern aus der Landeshauptstadt: von den Hoforgelbauern Gebrüder Jehmlich und von Glockengießermeister Albert Bierling. 1890 erhielt das Gotteshaus als Portal-Schmuck fünf Statuen: Christus und die vier Evangelisten.

Die neu erbaute Kirche diente – ebenso wie ihre Vorgängerin – Generationen regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Chemnitz. Sie war steinerne Stätte der Gemeinsamkeit für Hoffnung und Zuversicht, für Freude und Leid.

Doch fast 57 Jahre nach ihrer Weihe wurde sie bei den angloamerikanischen Luftangriffen vom 5. März 1945 getroffen und schwer beschädigt. Wie wohl jede andere Kirchgemeinde mit selben Schicksal wünschten sich die Christen in Chemnitz das Wiedererstehen ihrer Kirche.

Doch es blieb ein frommer Wunsch. Offenbar gab es bei Entscheidung zum Abriss politischen Druck: Laut dem Eintrag zu Chemnitz auf der Internetseite kirchensprengung.de „sprengten die Verantwortlichen der SED vier Kirchenbauten, die die verheerenden Bombardements teilbeschädigt überstanden hatten“. Nach der Sprengung des Kirchturms 1948 wurde die letzten Bauwerksreste beseitigt und der Standort eingeebnet.

Nahe am alten Standort ist heute ein Seniorenheim zuhause in einem einstigen 4-Sterne-Hotel. Das Gelände der früheren Nikolaikirche ist nicht öffentlich zugänglich.

Koordinaten: 50° 49′ 41,8″ N, 12° 54′ 57,2″ O

Quellen und Links

https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_(Chemnitz)

http://www.altes-chemnitz.de/chemnitz/nikolaikirche.htm

https://web.archive.org/web/20120924184400/http://www.historisches-chemnitz.de/altchemnitz/kirchen/nikolaikirche/nikolaikirche.html

https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-chemnitz

Verlorene Kirche in Dresden: Anstaltskirche Krankenhaus Johannstadt

Anstaltskirche Krankenhaus Johannstadt

Auferstanden nach 100 Jahren – in neuer Gestalt

Die Anstaltskirche Krankenhaus Johannstadt, auch bekannt als Krankenhauskapelle Johannstadt, war die Kirche des Stadtkrankenhauses Johannstadt in Dresden.

Zum Ausklang des 19. Jahrhunderts reichten in Dresden die Kapazitäten der städtischen Krankenhäuser nicht mehr aus. Zusätzlich alarmiert von der Grippewelle 1889/90 fiel im Stadtrat der Beschluss zum Neubau eines Klinikums: Größer als alles Vergleichbare in Dresden, sollte es eine kleine Stadt in der Stadt werden – mit eigener Kirche. Das Gotteshaus in zentraler Lage auf dem Krankenhausgelände ist auch klarer Hinweis für die bereits damals erkannte Wichtigkeit der seelischen Stärkung zur körperlichen Gesundung.

Ab 1898 wurde zeitgleich mit dem Stadtkrankenhaus Johannstadt dessen Anstaltskirche errichtet. Sie wurde mit Eröffnung des Krankenhauses am 2. Dezember 1901 von Superintendent Franz Dibelius geweiht. Architekt der Kirche und des Krankenhauses war Edmund Bräter (1855–1925). Das Gebäude entstand im Stil der Neuromanik. Die Rundbögen der Fenster und das Westportal waren nach dem Baustil der Romanik gestaltet, Kirchturm und Kirchendach hatten barocke Elemente. Die Reliefs und Verzierungen an den Außenseiten der Kirche stammten von Bildhauer Otto Schilling. Der Kirchturm war etwa 31 Meter hoch, er hatte eine Uhr mit vier Zifferblättern und zwei Bronze-Glocken.

Das Innere der Kirche war vorwiegend im Jugendstil gestaltet. Die Buntglasfenster mit biblischen Motiven in schmiedeeisernen Rahmen schuf Historienmaler Eugen Louis Otto. Die Orgel erbaute das Unternehmen Jehmlich Orgelbau Dresden: Sie hatte zwei Manuale, 12 Register und 810 Orgelpfeifen. Der Altar bestand aus französischem Sandstein und zeigte das Relief „Christus am Ölberg“.

Das Kirchenschiff war im Hauptsims 10,5 Meter hoch, die Holzdecke mit dekorativ ausgebildeten Dachbindern hatte eine Höhe von 13 Metern. Die innere Grundfläche betrug 415 Quadratmeter. Es gab ein Dienstzimmer für den Geistlichen, Vorraum und Vorhalle sowie den Treppenaufgang zum Kirchturm, der Orgel- und Sängerempore und dem Chorzimmer. Die Kirche hatte 325 Sitzplätze – und einige Stellplätze für Patientenbetten. Zwei Betstuben waren von außen zugänglich.

Zur Zeit des Nationalsozialismus gab es Pläne zum Bau eines Biologischen Krankenhauses: Die Anstaltskirche und einige Wirtschaftsgebäude sollten abgerissen werden, um an ihrer Stelle das neue Gebäude zu errichten. Die Pläne scheiterten mit Beginn des Zweiten Weltkriegs. Die Krankenhaus-Kirche diente regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter Treffpunkt für Hunderte Patienten, deren Angehörige und die dort Beschäftigten. Sie war Ort der Gemeinsamkeit für Hoffnung, Zuversicht und Freude, für Trauer und Leid.

Bei den Luftangriffen auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 wurde das Gotteshaus schwer getroffen, es brannte aus bis auf die steinernen Mauern. 1946 beschloss die Krankenhausleitung dessen Abriss, obwohl das Kirchengebäude im Vergleich zu anderen Gebäuden auf dem Krankenhausgelände relativ gut erhalten war. Auch wurde es als „kunstgeschichtlich nicht wertvoll“ eingestuft. Der Abriss begann im Frühling 1950 und dauerte bis 4. Mai 1950. Dort, wo zuvor die Kirche war, gab es nun eine Grünfläche. Darauf stand in den 1950er Jahren eine Tafel mit der Aufschrift: „Auf diesem Boden stand die Anstaltskirche, welche von Anglo-Amerikan. Bomben am 13. Februar 45 zerstört wurde“. Die Grünfläche bestand knapp 50 Jahre.

Ende 1997 gründete sich der „Förderverein Ökumenisches Seelsorgezentrum am Universitätsklinikum Dresden e.V.“ Sein Hauptziel: Die Errichtung eines ökumenischen Seelsorgezentrums als Nachfolger der einstigen Anstaltskirche. Er warb Spenden ein, um das den aktuellen Bedürfnissen angepasste Gebäude zu errichten – mit Kirchenraum sowie Arbeits- und Gesprächsräumen für die evangelische und katholische Krankenhausseelsorge. Patienten sollten dort Raum und Stille finden – zur Meditation, zur Besinnung auf sich selbst und ihr zukünftiges Leben wie auch zum Gebet.

Am 5. Dezember 2000 war es soweit: Auf dem früheren Kirchengelände wurde der Grundstein gelegt für das ökumenische Seelsorgezentrum des Universitätsklinikums „Carl Gustav Carus“. Der Neubau entstand nach Plänen der Architekten Johannes Kister, Reinhard Scheithauer und Susanne Gross. Seine Weihe war am 2. Dezember 2001 – auf den Tag genau 100 Jahre nach Weihe der Anstaltskirche.

Koordinaten: 51° 3′ 19,9″ N, 13° 46′ 43,7″ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/.../Anstaltskirche_Krankenhaus...

https://www.uniklinikum-dresden.de/.../geschichte-der...

http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/80804690

https://www.dresden.de/.../verlorene-kirchen-2018_web.pdf

Foto: Paul Flade - http://digital.slub-dresden.de/id250555573

Umnutzung in Dresden: St.-Pauli-Kirche

Innenansicht im Jahr 2019.

Die evangelisch-lutherische St.-Pauli-Kirche steht in Dresdens Hechtviertel. Ihr Grundstein wurde am 31. Mai 1889 gelegt, die Stadt hatte das Grundstück gestiftet. Die dreischiffige Hallenkirche des Architekten Christian Schramm aus Dresden wurde am 4. Februar 1891 geweiht. Der Sakralbau mit breitem Mittelschiff und schmalen Seitenschiffen mit Empore hatte ursprünglich Platz für 1.000 Gottesdienst-Besucher, der Kirchturm maß 78 Meter. Die Kirche wurde bei Luftangriffen der United States Air Force am 16. Januar und 2. März 1945 stark beschädigt.

Erhalten blieben lediglich die Außenmauern und der Kirchturm ohne Spitze. Zwischen 1965 und 1969 enttrümmerten Mitglieder der Kirchgemeinde die Ruine und sanierten sie teilweise.

Die Kirchgemeinde fand zunächst in Dresdens Garnisonskirche Heimat, später im Gebäude Eberswalder Str. 10, wo heute ein Kindergarten zuhause ist. Im Jahr 1993 wurden die Räume in der Fichtenstraße 2 zum Gemeindezentrum, seitdem feiert sie dort die Winter-Gottesdienste. Reelle Perspektiven für die Kirchenruine fehlten lange Zeit.

Es war im Jahr 1996, als ein neues Kapitel begann: Die Kirchgemeinde als Eigentümerin und die Stadtentwicklungs- und -sanierungsgesellschaft Dresden mbH, die Stesad GmbH, schlossen für 50 Jahre einen Erbbaurechtsvertrag.

Die Stesad begann daraufhin mit Sicherungsmaßnahmen mit Städtebaumitteln in Höhe von 500.000 DM.

Am 2. März 1997 wurde das Bauwerk als modernes Kultur- und Begegnungsstätte eröffnet, es entwickelte sich zum beliebten Sommertheater Dresdens. Mieter ist seit 1999 der gemeinnützige Verein TheaterRuine St. Pauli e.V., der auch den Spielbetrieb organisiert. Im Ensemble engagieren sich Laienschauspieler, unterstützt von professionellen Schauspielern. Der Verein will das nunmehr als Theaterruine St. Pauli bekannte Bauwerk kulturell beleben und langfristig als Veranstaltungsort profilieren.

Die Mitglieder sind ehrenamtlich umfassend am Betrieb des Hauses, der Organisation und der Inszenierungsarbeit auf und hinter der Bühne beteiligt. Auch finden dort Gastspiele anderer Theater- und Tanzgruppen, Konzerte und weitere Veranstaltungen statt. Jährlich besuchen rund 20.000 Gäste etwa 60 Gast-Veranstaltungen und -Konzerte sowie etwa 80 Theateraufführungen des Vereins. Die Jahresmiete beträgt mit Betriebskosten 50.000 Euro.

Nachdem ein Teil des Kirchturm-Gesimses abgestürzt war, wurde die Theaterruine St. Pauli am 23. August 2005 baupolizeilich gesperrt, die Sicherungsarbeiten dauerten bis Juni 2006.

Von 2010 bis 2012 wurde sie für 2,6 Millionen Euro umfassend ausgebaut und saniert, dabei entstand ein 400 Quadratmeter großes Glasplatten-Dach. Dieses sowie Seitenverglasungen schützen nun die alten Mauern vor weiterem Verfall – und die Besucher vor Wetterkapriolen. Auch erhielt die Theaterruine St. Pauli neue Fenster und einen modernen Toilettentrakt im Untergeschoss, Seitenemporen wurden errichtet, Nebengelasse saniert und ein Fahrstuhl eingebaut. Am 26. Mai 2012 wurde die Theaterstätte mit der Premiere „Der Diener zweier Herren“ feierlich wiedereröffnet. Die Theaterruine St. Pauli, die für Veranstaltungen und Gastspiele gebucht werden kann, bietet einen außergewöhnlichen architektonischen Kontrast zwischen historischem Sakral¬bau und luftiger Glas-Stahl-Architektur.

2017 wurde eine Glocke in den Kirchturm gehoben. Sie läutet seitdem täglich und zu den Sommer-Gottesdiensten in dieser wohl einzigartigen Kirche-Theater-Kombination: Seit 2013 feiert die St.-Pauli-Kirchgemeinde im Sommerhalbjahr wieder regelmäßig dort ihre Gemeinde-Gottesdienste.

Koordinaten: 51° 4′ 30,8′′ N, 13° 44′ 56,2′′ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Theaterruine_St._Pauli

https://kirchspiel-dresden-neustadt.de/st-pauli-kirche.html

https://www.pauliruine.de/geschichte-der-st-pauli-ruine/

https://www.stesad.de/ruine-der-st-pauli-kirche.html

Foto: Bernd Gross - CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=83873156

Umgenutzte Kirche in Leipzig: Friedenskirche Gohlis

Die Friedenskirche im Jahr 1873 kurz vor ihrer Einweihung.

Gotteshaus als Ort jugendlicher Lebenssinn-Suche

Gohlis gehörte bis zur Reformation zur Pfarrei des Augustiner-Chorherrenstifts St. Thomas. 1543/1544 wurde das Augustinerkloster aufgelöst. 1723 gab es nachweislich die erste Betstunde für Alte, Kranke und Kinder im Gemeindehaus Gohlis in der Dorfstraße (heute Menckestraße), ermöglicht vom Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn Lüder Mencke (1658–1726).

1774 entstand dank der Aufstockung des Schulgebäudes ein Betsaal auf Veranlassung von Johann Gottlob Böhme (1717–1780), dem Vollender des Gohliser Schlösschens. Der erste ortseigene Friedhof wurde 1851 an der Ecke Möckernsche Straße und Breitenfelder Straße angelegt, ab 1868 gab es einen neuen Friedhof am Viertelsweg. 1869 wurde die Kirchgemeinde Gohlis mit der Auspfarrung aus Eutritzsch eigenständig. Seit dem 8. Mai 1870 gab es einen eigenen Kirchenvorstand.

Am 29. Oktober 1871 war die Grundsteinlegung der Kirche Gohlis. Als Bauplatz wurde ein Platz nahe am historischen Dorfanger an der Menckestraße ausgewählt, am Ende der Gohliser Straße. Entstehen sollte eine dreischiffige, längsrechteckige Kirche mit Chor, Sakristei- und Kapellen-Anlagen im Osten als Backstein-Verblendbau mit Baukosten von maximal 30.000 Talern.

Zwei Entwürfe standen zur Auswahl. Die Entscheidung fiel für die neogotischen Pläne des Architekten und Kirchenbaumeisters Hugo Altendorff. Grund dafür war dessen Entwurf einer eher zurückhaltend gestalteten Dorfkirche. Die Kirche bekam Chorfenster nach Entwürfen von Ludwig Nieper. Am 31. Oktober 1873 war die Einweihung des Gotteshauses.

Das Besondere an diesem Bauwerk ist, dass anders als sonst die gesamte achteckige Turmspitze als Ziegelrohbau ausgeführt wurde – aus frei gemauerten gelblich-braunen Formziegeln der „Actien-Ziegelbrennerei zu Greppin“ bei Bitterfeld. Ab Ostern 1902 hieß auf Beschluss des Kirchenvorstandes das Gotteshaus Friedenskirche, ab 1920 die Gemeinde „Versöhnungskirchgemeinde“. 1955 erfolgte der Einbau neuer Glasfenster, gestaltet von Alfred Brumme.

Zur schmerzlichen Zäsur kam es 1977, als die Friedenskirche von der kirchlichen Bauverwaltung aufgegeben wurde. Gründe dafür waren deren schlechter Bauzustand bei gleichzeitig massivem, DDR-weitem Mangel an Baumaterial, Handwerkern und Geld. Die Kirchgemeinde versuchte, die Kirche trotzdem weiterhin nutzbar zu halten. Doch zwischen 1990 und 1999 wurden die Bauschäden immer größer, es bestand Einsturzgefahr am Kirchturm. In der Kirche fanden Andachten und Gottesdienste nur noch zu besonderen Anlässen statt. Seit 1999 ist die Friedenskirchgemeinde mit der Michaeliskirchgemeinde vereinigt, wechselte in deren Gotteshaus und verabschiedete sich damit von ihrem Kirchgebäude.

Dessen Rettung begann im März 1999, als der Verein Friedenskirche Leipzig e. V. gegründet wurde: Seine Mitglieder organisierten regelmäßig Konzerte, Aufführungen, Foren und Ausstellungen im Kirchenraum und bemühten sich um die Erhaltung der Kirche. Ab 2000 begann die schrittweise Instandsetzung des Gotteshauses, am 2. Dezember 2000 wurde die Turmbekrönung mit neuem goldenem Kreuz und Kugel aufgesetzt. Die gemauerte Turmspitze mit schlichtem vergoldetem Kreuz als höchstem Punkt ist bis heute die markante Ortsmarke in Leipzig-Gohlis. Sie wurde in jüngerer Vergangenheit detailgenau mit nach historischem Vorbild gefertigten Formsteinen restauriert. Auch erfolgte die Dachneueindeckung unter Verwendung von Ziegeln nach Muster der bauzeitlichen Dachsteine.

Seit 2016 wird die Friedenskirche – mit dem Evangelischen Kirchenbezirk Leipzig als Träger – unter dem latinisierten Namen Paxkirche genutzt: als Jugendkirche. „Pax ist ein Ort für junge Menschen, ein Ort der Beteiligung, des Dialogs, des Glauben und der Gemeinschaft in Leipzig; der Name ‚Pax – Frieden‘ ist dabei Zuspruch, Anspruch und Hoffnung“, heißt es auf der Internetseite.

Ziel von Jugendkirchen ist es, jungen Menschen, denen traditionelle Gottesdienste oft fremd erscheinen, Raum und Möglichkeit zu geben, Gemeinschaft und Gottesdienst nach eigenen Vorstellungen zu gestalten – mit deren umfangreicher Mitwirkung. Das Gotteshaus in Gohlis ist nach wie vor ein Ort zur Lebenssinn-Suche – nun für Jugendliche.

Koordinaten: 51° 21′ 30,6″ N, 12° 22′ 5,5″ O

Weblinks und Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedenskirche_(Leipzig)

https://pax-leipzig.de/

https://www.architektur-blicklicht.de/.../gohlis.../ https://www.michaelis-friedens.de/friedenskirche/

Foto gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1321931

Umnutzung in Köthen: Martinskirche

Junges Leben in Jugendstil-Baudenkmal

Martinskirche Köthen

Die Martinskirche in Köthen in Anhalt ist ein technisch und architektonisch herausragendes Bauwerk, das auf der höchsten Stelle – dem einstigen Galgenberg – in Hohenköthen errichtet wurde und mit dem 55 Meter hohen Kirchturm das Ortsbild entscheidend prägt. Sie entstand zwischen 1912 und 914 als evangelische Kirche und gehört in Sachsen-Anhalt zu den bedeutendsten Bauwerken des Jugendstils.

Sie ist ein Sakralbau zwischen Historismus und Moderne mit Elementen des Jugendstils und Eklektizismus, hat eine elliptische, überkuppelte Emporenhalle mit einer Kuppelhöhe von neun bis 15 Meter sowie zwei direkt angebaute Häuser für Pfarrer und für Kirchdiener. Das Bauwerk steht unter Denkmalschutz und als Baudenkmal im Denkmal-Verzeichnis (Erfassungsnummer 094 17547).

Architektonisch gilt die Martinskirche zu Köthen als das größte und bedeutendste sakrale Architektur-Denkmal des frühen 20. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt mit der Funktion als Landmarke der Region sowie als stadtbildbeherrschender Zentralbau mit eindrucksvoller Silhouettenwirkung.

Die Kirche steht südöstlich der Altstadt von Köthen zwischen der Franzstraße im Norden, der Bahnhofsstraße im Osten und der Leipziger Straße, die das Areal zum Dreieck formt.

Damals wuchs Köthen nach Südosten: Ein Gründerzeitviertel entstand zu Anfang des 20. Jahrhunderts, damals fast selbstverständlich mit eigener Kirche. Deren Architekt war Friedrich Gothe (1872–1951): Er entwarf das Kirchenschiff als Rundkuppelbau, an das er an der Ostseite Kirchturm, Pfarrhaus und Kirchdienerhaus anfügte. So entstand ein V-förmiger Grundriss.

Die 96 Quadratmeter große Rundkuppel der Martinskirche besteht aus Eisenbeton und ruht in 15 Meter Höhe auf vier Säulen – eine damals eindrucksvolle bautechnische Besonderheit. Markant und eigenwillig gestaltet ist die Haube des Chorturms.

Die ursprüngliche Fassade ist bis heute erhalten. 1964 wurde die Kirche umgebaut und erhielt frische Farbe. Über die Jahrzehnte des Lebens an und um diese Kirche ist nichts Herausragendes überliefert.

1985 wurde die Martins-Kirchgemeinde mit der von St. Jakob vereinigt, der Sakralbau wurde seitdem nicht mehr für Gottesdienste gebraucht. 1986 übernahm die Stadt Köthen das Gebäude-Ensemble, mit Verantwortung und Respekt für die historische Bausubstanz und um die Erhaltung des Baudenkmals zu sichern. Doch was anfangen mit diesem Bauwerk? Jobcenter, ortsansässige Bildungs-Gesellschaft, ein Architekturbüro und die Stadt Köthen ersannen gemeinsam ein Konzept für die denkmalgerechte Nutzung des ehemaligen Pfarrhauses und Kirchenschiffs.

Ab 2006 sanierten Jugendliche und ältere Arbeitssuchende substanzschonend und fachgerecht die Martinskirche. Im Mai 2011 wurden das Bleiglasfenster mit der Lutherrose sowie eine multifunktionale Lichtanlage eingeweiht. Im einstigen Kirchdienerhaus sind ein Jugendclub und in den Kellerräumen ein Studentenclub zuhause.

Seit November 1997 steht die kommunale Jugendbegegnungsstätte Martinskirche Kindern und Jugendlichen offen. Es gibt Möglichkeiten für Tischtennis, Speedhockey, Billard und Dart sowie zum gemeinsamen Kochen und Backen.

Im Mai 2010 wurde in sanierten Räumen des ehemaligen Pfarrhauses der Martinskirche der Internationale Studentenclub (ISC) eröffnet – als Freizeit-Angebot für deutsche und ausländische Studenten der Hochschule Anhalt.

Der Club hat eine Bar, einen Billardraum und eine Lounge. Ein zusätzlicher Raum steht für kleinere und mittlere Events wie Disko, Konzerte und Lesungen zur Verfügung. Auch sind Billard-, Skat- und Kickerturniere sowie Jamsessions, Musik- und Sprachabende möglich.

Seit 2001 findet in der Martinskirche jährlich der Internationale Studententag des Landesstudienkollegs der Hochschule Anhalt statt: Dann laden Studierende aus 45 Staaten ein, ihre Heimatländer mit deren Traditionen und Kulturen näher kennenzulernen.

Feine, zarte Klänge waren in diesem Jahr ein weiterer Höhepunkt der Martinskirche Köthen – als Konzertsaal der diesjährigen Köthener Bachfesttage: Am 19. September 2021 erklangen Sonaten für Solo-Violine, komponiert von Johann Sebastian Bach.

Das kirchliche Inventar in der einstigen Martinskirche ist komplett verschwunden, viele Gegenstände haben nach 1985 in anderen Kirchen ein neues Zuhause gefunden. Denkmalgerecht wiederhergestellt sind Teile der originalen Verglasung und die Lutherrose.

Die ursprüngliche, erhaben-beeindruckende Raumwirkung im Inneren – sie hat alle Veränderungen der Zeit überdauert.

Koordinaten: 51° 44′ 51,5″ N, 11° 59′ 12,2″ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Martinskirche_(K%C3%B6then)

https://www.koethen-anhalt.de/de/martinskirche/martinskirche.html?fbclid=IwAR2SFj0ORrlYJI2ZO8EML49_M2ZchBzHBawyDTsE_hSDL0bIC_zJjcgf7oM

https://web.archive.org/web/20140325121611/http://www.inf.hs-anhalt.de/~volkmar/Martinskirche/martin.html

Martinskirche Köthen, von Ralf Roletschek, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8250088

Umnutzung in Dessau: Marienkirche

Vom Gotteshaus zum Musentempel

Marienkirche vor der Zerstörung

Die Schloss- und Stadtkirche St. Marien ist Dessaus älteste Kirche, sie gehört gemeinsam mit Rathaus und Stadtschloss zu den herausragenden Bauzeugnissen askanischer Fürstengeschichte. Der einstige Sakralbau ist seit Jahrzehnten eine Veranstaltungs- und Kulturstätte der Stadt.

Ursprünglich war die Kirche ein romanischer Feldsteinbau, sie wurde 1263 geweiht. Fürst Ernst von Anhalt-Dessau legte am 25. Mai 1506 den Grundstein für den Bau einer spätgotischen, dreischiffigen Hallenkirche aus Backstein mit Umgangschor und Westturm, die den romanischen Vorgängerbau ersetzte. Nach dessen Tod sorgte seine Witwe Herzogin Margarethe von Münsterberg für den Fortgang des Baugeschehens, das 1554 die Baumeister Ludwig Binder und Ullrich Schmiedeberg erfolgreich beendeten.

Das Netz- und Sterngewölbe entstand um 1541, gefolgt vom Einbau der Holzemporen im seitlichen Kirchenschiff, der Anfertigung verschiedener Werke in der Cranach-Werkstatt, der Installation von Kunstwerke aus Holz und Sandstein und schließlich dem Anbau des West-Kirchturms zwischen 1551 und 1554. Da lag die Kirchweihe schon drei Jahrzehnte zurück: Diese hatte am 15. Oktober 1523 Kardinal Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, ein Gegner der Reformation, vollzogen.

Doch keine elf Jahre später am Gründonnerstag, dem 2. April 1534, zogen die Reformation und der Protestantismus ein. Es dauerte jedoch noch vier Jahrzehnte bis in die 1570er Jahre, bis Ernsts Nachfolger Georg III. in Anhalt den lutherischen Glauben offiziell einführte. Ab 1780 verantwortete Georg Christoph Hesekiel die Umgestaltung des Kirchen-Innern im Auftrag von Fürst Franz.

Lange Zeit diente die Schloss- und Stadtkirche St. Marien als Grablege der Dessau-anhaltischen Fürsten: In den Jahren 1848 bis 1850 entstand die Gruft im Erdgeschoss des Kirchturms, ihr Portal an der Turm-Nordseite zwischen 1850 und 1852.

Knapp 100 Jahre später, im Zweiten Weltkrieg, fiel die Stadt Dessau weiträumig den Luft-Angriffen zum Opfer. St. Marien trafen am 7. März 1945 Brand- und Sprengbomben: Die Kirche wurde bis auf die Umfassungsmauern zerstört und brannte vollständig aus. Das Inferno überstanden nur drei Cranach-Gemälde, Abendmahls-Geräte und die Kirchenglocken, da diese Sachen ausgelagert worden waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Wunsch der Kirchgemeinde, ihre zerstörte Kirche wieder aufzubauen, ein Wunsch. 1967 vereinigten sich Dessaus zwei Kirchengemeinden zur Evangelischen Kirchengemeinde St. Johannis und St. Marien. Das Gotteshaus blieb jahrzehntelange in seinem damaligen Zustand als Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung.

Am 1. März 1983 begann ein neues Kapitel in der Geschichte dieser Kirche: Die Kirchgemeinde schloss an diesem Tag mit dem Rat der Stadt Dessau einen 99-Jahre-Erbbaurechtsvertrag, und damit wurde unter städtischer Regie die Ruine zwischen 1989 und 1998 wieder aufgebaut. Seitdem ist die Kirche ein Ort für Konzerte, Theater-Aufführungen, Ausstellungen und das jährliche Kurt-Weill-Fest.

Dessaus Marienkirche sieht innen deutlich anders aus als vor der Zerstörung am 7. März 1945: Die Wände zeigen unverputzt das blanke Ziegel- und Feldstein-Mauerwerk und bezeugen so authentisch-rauh ihre Entstehung und Entwicklung. Auch gibt es statt gotischem Gewölbe eine eher schlichte, braune Holzbalkendecke.

Die einstige Schloss- und Stadtkirche zu St. Marien ist als besonderer und sensibler Veranstaltungsort eine Stätte vielfältiger Kunst- und Kultur-Erlebnisse – und als ursprüngliches christliches Gotteshaus klar erkennbar.

Koordinaten: 51° 50′ 0″ N, 12° 14′ 49″ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Marienkirche_(Dessau)

https://www.johanniskirche-dessau.de/kirchen/St.-Marien.html

https://verwaltung.dessau-rosslau.de/kultur-tourismus/marienkirche.html/?fbclid=IwAR2BCKGINLFTV07L3-OiAUImVX2g6jRVs9he3wZ-7T6hYNWW0VE_xOTH-wk

Die Kirche vor 1939, Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R98992 / CC-BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5368827

Umgenutzte Kirche in Dresden: Alte Zionskirche

Alte Zionskirche

Die Zionskirche in Dresdens Südvorstadt geht zurück auf das Testament des Maschinenbau-Fabrikanten Johann Hampel: Sein Wunsch war, dass aus seinem Vermögen eine evangelische Kirche in Dresdens Südviertel gebaut werden sollte.

Begonnen am 27. Juli 1908, wurde das Gotteshaus mit dem 26 Meter hohen Kirchturm am 29. September 1912 geweiht. Die im Jugendstil gestaltete Zionskirche hatte fast 1.100 Sitzplätze und war zu dieser Zeit einer der modernsten Kirchenbauten Deutschlands.

Ihre Gestaltung als Zentralbau war nicht nur damals ungewöhnlich: Die Kanzel stand auf der Mittelachse des Bauwerks, und die Sitzreihen waren fächerförmig ansteigend angeordnet – ähnlich wie in einem Amphitheater.

Ihre Jehmlich-Orgel war Sachsens erste Orgel mit rein elektrischer Traktur und Registeranlage. Die Kirchgemeinde hatte mehr als 5.600 Mitglieder. Bei den Luftangriffen auf Dresden am 13./14. Februar 1945 wurde die Kirche schwer getroffen und brannte bis auf das Mauerwerk nieder. Später bekam sie ein provisorisches Dach.

1945 wurde die Kirchgemeinde aufgelöst. Sie wurde 1956 neu gebildet und hatte ihr provisorisches Zuhause in einer von Schweden gespendeten Baracke neben der Ruine. Ziel der Kirchgemeinde war es, mit Unterstützung aus Schweden eine neue Kirche zu bauen. Schließlich wurden sich Kirchgemeinde und Stadtverwaltung einig: Die Stadt Dresden bekam Ende der 1970er Jahre die Zions-Kirchruine samt Gelände – im Tausch für das Grundstück zum Bau der Neuen Zionskirche.

So bezog 1982 die Zionsgemeinde ihre neue Kirche in der Bayreuther Straße: Am 31. Oktober 1982 gab es den Abschieds-Gottesdienst in der Baracke an der alten Zionskirche. Anschließend ging es in einem feierlich-fröhlichen Fußmarsch zur Neuen Zionskirche. Dort übergab der schwedische Bauleiter Erik Granbom den Kirchen-Schlüssel symbolisch an den schwedischen Bischof Helge Brattgård, der überreichte ihn an Sachsens Landesbischof Johannes Hempel und dieser ihn schließlich an Pfarrer Michael Kanig.

Was waren nun Dresdens Pläne mit der alten Zionskirche? Die Stadtverwaltung hatte nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die frühen 1950er Jahre wiederverwendbare Architektur-Bruchstücke von verschiedensten zerstörten Bauwerken aus dem Stadtzentrum in mehreren provisorischen Lagern gesammelt. Um 1985 stellte sich die Frage nach angemessener und zentraler Unterbringung dieser Steinwerk-Fragmente und -Fundstücke.

Die Antwort: Die Ruine der Zionskirche wurde als dauerhafter Aufstellungs- und Lager-Ort für mehr als 7.100 Fragmente ausgewählt und zum sogenannten Lapidarium umgestaltet. Zwischen 1994 und 1996 wurde die Ruine baulich gesichert und der Innenraum von Schutt beräumt. Auch wurde die Kirchenruine zum dauerhaften Schutz der Fundstücke und Kirche vor Witterung komplett überdacht – pragmatisch gestaltet nach den neuen Anforderungen an das umgenutzte Gotteshaus.

Inzwischen haben alle Baufragmente Dresdens ihren Platz im Lapidarium Zionskirche gefunden, sie sind archiviert und wissenschaftlich erfasst. Auch Denkmäler neuerer Zeit werden dort verwahrt und für eine etwaige Wiederverwendung zwischengelagert.

Der „Tag des offenen Denkmals“ bietet die Gelegenheit, sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen von der Vielfalt dieser steinernen Zeugnisse, ihrer individuellen bildhauerischen Schöpferkraft, ihrem architektonischen Ideenreichtum – und von ihrem außergewöhnlichen Zuhause.

Koordinaten: 51° 2′ N, 13° 43′ O

Bildquelle: Das Lapidarium Zionskirche in Dresden. Von DP-1 - Eigenes Werk, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1762937

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Zionskirche_(Dresden)

https://www.dresden.de/.../denkmalschutz/lapidarium.php

https://www.dresden.de/.../Faltblatt_Lapidarium_2016.pdf

Verlorene Kirche in Chemnitz: St.-Pauli-Kirche

St.-Pauli-Kirche

Die St.-Pauli-Kirche in Chemnitz hat eine ereignisreiche Vorgeschichte: Am 14. April 1485 stimmte Papst Innocenz VII. der Stiftung eines Franziskanerklosters in Chemnitz zu. Weniger als fünf Monate später, am 9. September 1485, zogen 16 Brüder vom Barfüßerorden feierlich in ihr Haus in Chemnitz ein, das bereits 1481 errichtet worden war.

Neben den Räumlichkeiten der Mönche gab es eine Hallenkirche mit Chor, einen Wirtschaftshof, etwas Gartenland und einen kleinen Friedhof auf dem Gelände. Die Mönche gewannen mit Eifer und Bescheidenheit den Respekt und Sympathie in der Bürgerschaft, viele Wohlhabende und Innungen traten der Laienbruderschaft bei.

Bei der zweiten Visitation zur Reformation gab es am 12. April 1540 zwischen den Visitatoren und den Franziskanermönchen heftige Auseinandersetzungen: Der katholische Abt Thilo Werner und seine Leute verweigerten sich Luthers neuer Glaubenslehre, und so verließen die Mönche ihr Kloster in Chemnitz und zogen in das Kloster in Halle an der Saale. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden die Gebäude auf dem Klostergelände zerstört. Zwischen 1750 und 1756 entstand dort die „Neue Johanniskirche“ – zur Entlastung der Kirche am Johannisfriedhof an der Zschopauer Straße. Am 25. August 1750 war Grundsteinlegung, am 31. Oktober 1756 Kirchweihe.

Baumeister waren der Architekt Johann Gottlieb Ohndorff aus Freiberg sowie J. M. Mende und Ch. Hösel, beide aus Chemnitz. Das schmucklose Gebäude mit den hohen Fenstern – ein rechteckiger barocker Neubau mit neun Jochen – hatte keinen Kirchturm. Die Baumeister nutzten als dessen Westwand kurzerhand das mittelalterliche Mauerwerk der Stadtbefestigung.

Das Kirchenschiff war ein heller Saal mit doppelgeschossigen Emporen und bot 1.600 Menschen Platz. Zu den Besonderheiten zählten die Skulpturarbeiten des Altars und die Silbermann-Orgel. Von 1813 bis 1815 wurde sie als Lazarett genutzt.

1875 teilte sich die Vorstadt-Kirchgemeinde aufgrund stark gestiegener Mitgliedszahlen: Das Gotteshaus am Getreidemarkt war nun Pfarrkirche für das Kaßberg-Viertel und erhielt den Namen des Apostels Paulus.

Sie wurde umfassend renoviert und 1887 der 61 Meter hohe, im Stil der Neorenaissance gestaltete Kirchturm mit Glockenstuhl errichtet. Auch ersetzte eine Jehmlich-Orgel die Silbermann-Orgel, es gab mehr als 1.800 Sitzplätze. 1890 wurden farbige Kirchenfenster angeschafft, 1892 ein Deckengemälde erschaffen sowie die Kirche innen und außen neu gestrichen.

1905 entstand nach dem Entwurf von Stadtbaurat Möbius eine neobarocke Brauthalle, die dort aufgestellte Paulus-Statue schuf Bildhauer König. Ab 1930 gab es Umbauarbeiten. Über das Leben an und um diese Kirche ist nichts Herausragendes überliefert.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, am 5. März 1945, brannte die Kirche – ausgelöst von Bomben-Treffern – aus.

Die Paulikirche Chemnitz war mehr als 188 Jahre Stätte festlicher Begegnung für Generationen sonntags zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Chemnitz. Sie war der vereinende Raum sowohl für Freude, Zuversicht und Hoffnung als auch für Kummer, Trauer und Leid.

Für die Kirchgemeinde war nach Kriegsende der Wiederaufbau ihres Gotteshauses das große Ziel: Die Ruine wurde gesichert und enttrümmert, der Turm wiederhergestellt. Die Umfassungsmauern wurden instandgesetzt und für den Aufbau eines neuen Dachstuhls vorbereitet. 1951 brachte die Kirchengemeinde 60.000 Mark auf, renovierte den Kirchturm und ließ einen Dachstuhl mit Schieferdach bauen. 1957 wurde der Wiederaufbau beschlossen und vorbereitet, im Innenraum sollte ein kirchliches Veranstaltungszentrum entstehen. Jedoch gab es zeitgleich sozialistische Architektur-Pläne zur Neugestaltung des Stadtzentrums in Karl-Marx-Stadt (so der visionär-kommunistische Name ab 1953 für Chemnitz) – ohne die aus SED-Sicht störende Paulikirche.

Und die Machthaber setzten ihren Willen durch: Am 27. Februar 1961 informierte das Stadtbauamt Karl-Marx-Stadt die Kirchgemeinde, die Stadt habe entschieden, dass das Kirchen-Grundstück „für den Bau von achtgeschossigen Wohnblöcken in Anspruch genommen werden“ solle. Gegen das sogenannte „Aufbaugesetz“ war im selbst so definierten „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ kein juristischer Widerspruch zulässig. Der Vollständigkeit halber wurde zugleich die Grundstücks-Enteignung vorgenommen – rückwirkend zum 1. Januar 1961.

Am 15. März 1961 wurde die St.-Pauli-Kirche gesprengt und dem Erdboden gleichgemacht. Auf ihrer Grundfläche entstanden ein DDR-Wohnblock und ein Parkplatz.

Bildquelle: Schloßbergmuseum (www.chemnitz.de)

Quellen und Links

https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-chemnitz

http://www.altes-chemnitz.de/chemnitz/paulikirche.htm

http://www.chemnitzer-friedenstag.de/2005/pauli.html

Verlorene Kirche in Halberstadt: Paulskirche (St. Peter und Paul)

Paulskirche

Die evangelische Kirche St. Peter und Paul in Halberstadt, auch Paulskirche genannt, stand am Ostrand der historischen Altstadt nördlich des Breiten Wegs. Um etwa 1085 gründete Bischof Burchard II. in Halberstadt das Kollegiatstift St. Peter und Paul. 1122 wurde es renoviert, ab 1246 wurden die Seitenschiffe verbreitert. Im 13. Jahrhundert entstand der obere Teil der Kirchtürme, die bis zur Zerstörung im 20. Jahrhundert erhalten blieben. Ab 1363 erhielt der Sakralbau einen neuen Chor, der höher als das Kirchenschiff war; er gab der Kirche das Gepräge einer Sattelkirche. Im 14. Jahrhundert wurde die Peterskapelle angebaut.

Um 1540 setzte sich in Halberstadt Luthers Reformation durch. Ungewöhnlich war, dass das St.-Pauli-Stift als geistliche Körperschaft bestehen blieb. Streitigkeiten zwischen den Stiftsherren und der Paulskirchen-Gemeinde wurden 1589 mittels Vertrag ausgeräumt: Dem Stift wurde die exklusive Nutzung des Chors zugesprochen – und der Kirchgemeinde das Kirchenschiff. Sie wurde eine sogenannte Simultankirche, also ein Gotteshaus für sowohl katholische als auch evangelische Gottesdienste.

Die Zeiten des Kollegiatstifts und der Pfarrei endeten 1812 – beide mussten aufgrund einer Behörden-Entscheidung des Königreichs Westphalen geschlossen werden. Das Kirchengebäude wurde erst Lazarett, später Vorrats-Magazin für Proviant. Diese profane Nutzung endete knapp hundert Jahre später: Von 1906 bis 1908 erfolgte ihre Renovierung: Sie wurde fortan als Garnisonkirche genutzt, also als Kirche für Soldaten und Offiziere am Militärstandort Halberstadt.

Die Kirche wurde als dreischiffige Pfeilerbasilika mit zwei Kirchtürmen an ihrer Westseite errichtet. Ihr Querschiff hatte ein Kreuzgratgewölbe mit ausgeschiedener Vierung, auch das Chorquadrat hatte ein Kreuzgratgewölbe. Der Chor an der Ostseite hatte einen Fünf-Achtel-Schluss und war auf zwei Jochen mit einem Kreuzrippengewölbe versehen. In der Ecke zwischen dem südlichen Arm des Querschiffs und dem Chor befand sich ein ebenfalls mit einem Kreuzgewölbe überspannter Raum.

In der Nordseite des Querschiffs befand sich ein schlichtes Portal, das ursprünglich als Zugang zum Kreuzgang diente. Ein weiteres Portal war auf der Nordseite am Seitenschiff nahe dem Turm angeordnet. Das Hauptportal befand sich ursprünglich an der Westseite. Bemerkenswert daran war ein doppelt gewölbter Bogen. Am westlichen Ende des südlichen Seitenschiffs, nahe am Turm, befand sich die Peterskapelle, ebenfalls mit Kreuzgewölbe ausgestattet. Die Kirche brannte am 8. April 1945 bei der Bombardierung von Halberstadt im Zweiten Weltkrieg bis auf die Umfassungsmauern aus.

Vor knapp 53 Jahren, am 5. Februar 1969, wurde die Doppelturmanlage der Kirche des 1085 gegründeten Halberstädter Kollegiatstiftes St. Peter und Paul gesprengt. Dies war Schlusspunkt der Zerstörung dieser bedeutenden mittelalterlichen Kirche, die vom Bombenangriff am 8. April 1945 bis zum schrittweisen Abriss 1968 reichte. Grundlage dieses Abrisses war der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Halberstadt vom 14. November 1968, der ohne Gegenstimme angenommen worden war.

Vorausgegangen war eine zur DDR-Zeit illegale Unterschriftensammlung, initiiert von Halberstadts Bürgern Armin Dieckmann, Werner Hartmann und Walter Gemm, mit der sich etwa 600 Bürger für den Erhalt der Kirche ausgesprochen hatten. Auch drei Architekten des VEB Hochbauprojektierung, Georg Timme, Rudolf Steinhagen und Ulrich Mund, protestierten mit einer fünf Seiten langen Eingabe an die Stadtverordnetenversammlung gegen den Abriss und unterbreiteten Vorschläge für Erhalt und Nutzung – vergebens. Heute erinnert nur der Straßenname Paulsplan an die Kirche.

Zwischen 1975 und 1980 bekam Halberstadt ein weiteres DDR-Plattenbau-Wohngebiet mit 465 Wohnungen, gelegen am Clara-Zetkin-Ring mit Hugenotten-, Korn-, Kämmeken-, Lichtwerstraße und Paulsplan. Auf dem Grundstück der gesprengten Paulskirche entstand zu dieser Zeit eine Schule. Seit 2001 trägt die Schule am Paulsplan trägt den Namen von Walter Gemm: Der Kunstmaler aus Halberstadt gehörte 1969 zu den Organisatoren der Unterschriften-Sammlung gegen den Abriss der Paulskirche.

Koordinaten: 51° 53' 49,1 N / 11° 3' 21,3 O

Bildquelle: Rud. Lohse Postkartenverlag, Halberstadt, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53747089

Quellen und Links

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Peter_und_Paul_(Halberstadt)?fbclid=IwAR16DqcJwrkyB0vrqfZpigYDIDUuXrmV_ZJv-Dzb_nenvAtm9meVnkq-lJc

https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-andere

https://www.meine-kirchenzeitung.de/c-kirche-vor-ort/vor-50-jahren-gesprengt_a9103?fbclid=IwAR2q4cCe9MrV3OeUywLiDhIk6L7bmXr0gXnwaqqZuyPm8oe7PUvwxJ8CYsw

Verlorene Kirche in Sachsen-Anhalt: Nikolaikirche Zeitz

Bildquelle: Jwaller https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_(Zeitz)

Zeitz, eine Kleinstadt mit rund 27.000 Einwohnern im Süden Sachsen-Anhalts, nicht allzu fern von Leipzig. Eine Stadt mit durchaus gewichtiger Geschichte: Von 968 bis 1029 war sie Bischofssitz des Bistums Naumburg-Zeitz, von 1652 bis 1718 Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Zeitz. Viele Bauwerke dort sind somit vor vielen Jahrhunderten entstanden.

Dagegen ist die Nikolaikirche in Zeitz recht jung: Seit ihrem Entstehungsjahr sind gerade einmal 130 Jahre vergangen, eine kirchengeschichtlich kurze Zeitspanne. Dennoch ist das Gotteshaus heute eine Ruine.

Ihre Vorgängerkirche wurde 1823 nach einem Brand abgerissen. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis die Zeit reif war für einen Kirchen-Neubau auf dem Nikolaiplatz. Der wurde 1891 geweiht – und hieß ursprünglich Trinitatiskirche. Geplant hatte den Klinkerbau mit schlankem Kirchturm der Architekt Karl Memminger, er schuf eine beeindruckende Saalkirche im Stil von Historismus und Neogotik.

Über die Jahrzehnte des Lebens an und um diese Kirche ist nichts Herausragendes überliefert. Sie diente Generationen sonntags zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Zeitz. Sie war deren Ort für gemeinsame Hoffnung, Zuversicht, Freude und Leid. Bemerkenswert: Die Kirche hatte zwei historische Glocken, die aus dem Zeitzer Dom stammten.

Gegossen im 15. Jahrhundert, gelangte das Geläut mit den Tönen e’ und a’ dort bei Umbauarbeiten am Dom im 17. Jahrhundert in das damals errichtete Torhaus. Von da kamen sie 1891 in das neu gebaute Gotteshaus in Zeitz: Dessen Kirchgemeinde hatte ihre Gottesdienste lange Jahre im Dom gefeiert, da ihre eigene Kirche – die alte Nikolaikirche – 1823 ja ein Raub der Flammen geworden war.

Als etwa um 1980 die Nikolai-Kirchgemeinde aufgelöst wurde, gelangte das einstige Domgeläut in die Laurentiuskirche in Halle (Saale). Als klar war, dass es in der Nikolaikirche Zeitz nicht mehr genutzt werden würde, wurde es dorthin zum Materialpreis verkauft. 110 Jahre später – am 24. Juni 2001 – kehrten die beiden kunsthistorisch bedeutsamen Glocken zurück in ihre alte Heimat, sie erklingen seitdem wieder im Torhaus des Zeitzer Doms.

Doch weshalb wurde die Nikolaikirche Zeitz aufgegeben? Informationen dazu sind spärlich. Es heißt, es habe statische Probleme gegeben wegen des sandigen Untergrunds. Die Kirche habe „aufgrund der Baufälligkeit“ seit Beginn der 1970er Jahre nicht mehr genutzt werden können. Sie wurde von der Kirchgemeinde aufgegeben. Wann der letzte Gottesdienst stattfand und ob es eine Entwidmung gab, war bislang nicht herauszufinden. 1998 schlug ein Blitz in den Kirchturm und löste einen Dachbrand aus. Daraufhin stürzte ein Teil des Kreuzrippengewölbes ab – und ebenso eine verbliebene Glocke.

Von dem stolzen Kirchenbau haben – vom Zahn der Zeit gezeichnet – der Kirchturm-Rest und die ebenso solide gemauerten Wände überdauert. Im Internet zeigt sich, dass das aufgegebene Gotteshaus nach wie vor begehrt ist – als morbid anmutendes Motiv für Fotos und Videos verschiedenster Art. Derzeit deutet nichts darauf hin, wie es mit der Nikolaikirche Zeitz weitergehen soll. Es gibt es keine Anzeichen, dass die Kirche saniert, erhalten oder auf irgendeine Weise wieder genutzt werden könnte.

Koordinaten: 51° 3′ 9,9″ N, 12° 7′ 47,1″ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_(Zeitz)

http://www.saiten-blicke.de/nikolaikirche-zeitz/

http://www.saiten-blicke.de/nikolaikirche-zeitz/?fbclid=IwAR3V-dtzAWiMy4pDvkotN8Hu0pY8817hNS49zDK5rGI29rDHyJvedP7T5Vo

https://www.youtube.com/watch?v=MBwSrgxvLl0

https://www.youtube.com/watch?v=9llwt7-C9so

Verlorene Kirche in der sächsischen Oberlausitz: Stadtkirche Muskau

Quelle: Ekkehard Brucksch

Immer wieder wundern sich Touristen, wenn sie sich in Bad Muskau auf dem Kirchplatz umsehen: „Wo ist denn hier die Kirche?“ Ein Kirchplatz ohne Kirche – was anderswo für Kopfschütteln sorgen würde, ist in Bad Muskau Wirklichkeit. Ernüchternde Wirklichkeit seit mehr als 60 Jahren. Grundsteinlegung für die evangelische Kirche im spätgotischen Stil war 1605, Kirchweihe am 19. Mai 1622. 1643 von schwedischen Soldaten in Brand gesetzt, wurde sie bis 1646 wieder aufgebaut, fiel 1766 erneut in Schutt und Asche.

Bis 1782 erstand sie leicht verändert: Das zuvor schlanke Turmoberteil mit doppelter Laterne wurde damals vereinfacht wiederaufgebaut, der Kirchturm bekam ein flaches Zeltdach.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs brannte das Gotteshaus im April 1945 aus. Erhalten blieben die starken Umfassungsmauern, Sakristei, Patronats-Loge, das Gewölbe des Mittelschiffes und der Chor. Die Frage war: Wie sollte es weitergehen?

Bis Mai 1948 gab es zwischen der Kirchenleitung und Sachsens Amt für Denkmalpflege Gespräche über den Wiederaufbau der Stadtkirche, doch diese blieben ergebnislos. Im Januar 1952 wurde die Stadtkirche enttrümmert sowie loses Gesteinsmaterial beseitigt. Noch immer war offen, wie es weitergehen würde. Dann kam der 28. Juli 1958, dieser Montag wurde für die evangelische Kirchgemeinde in Muskau (die Zusatzbezeichnung „Bad“ kam erst 1961 zum Ortsnamen hinzu) zum schicksalhaften Tag: Der Gemeindekirchenrat kam zu der gleichermaßen sachlich wie resignierenden Feststellung, dass weder die Kosten für den Wiederaufbau noch die Kosten für den Abriss der beschädigten Kirche aufgebracht werden könnten.

Nur Monate später schuf der Rat des Kreises Fakten: Er, der weder Grundstücks- noch Gebäude-Eigentümer war, ordnete insgeheim den Kirchen-Abbruch an – eigenmächtig und als Affront zum Ministerium für Kultur, das den Abriss abgelehnt hatte. Doch das erfuhr die Kirchgemeinde erst im Februar 1959 und auch nur mündlich.

Noch später wurde bekannt: Der Rat des Kreises hatte für seine Entscheidung grünes Licht vom Rat des Bezirkes Dresden und auch vom Zentralkomitee der SED in Berlin bekommen – was für die ortsansässigen Genossen eine Rücksprache mit dem fachlich zuständigen Institut für Denkmalpflege Dresden somit entbehrlich machte.

Staatlicherseits wurde ab 16. März 1959 die Sprengung vorbereitet, in einem Kirchendokument heißt es dazu ohnmächtig: „Da der Abriss bereits im vollen Gange ist, muss bedauerlicherweise die Kirchgemeinde der staatlichen Macht weichen.“ Am 25. März 1959 nahmen Muskaus Christen mit dem letzten Gottesdienst Abschied von ihrer Stadtkirche.

Es brauchte drei Wochen, um das offenbar sehr robuste Bauwerk dem Erdboden gleichzumachen: An vier Tagen zwischen dem 3. und dem 24. April 1959 donnerte das Grollen der Sprengladungen durch den Ort. Die Räum-Arbeiten und Abtransport der Kirchentrümmer dauerten bis Januar 1960. Fast 337 Jahre diente die Stadtkirche vielen Generationen regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger in und um Muskau. Sie war Stätte für gemeinsame Hoffnung, Zuversicht, Freude und Leid.

Im Jahr 1973 entschloss sich die Kirchengemeinde Bad Muskau und verkaufte das Grundstück auf dem Kirchplatz, wo das Gotteshaus gestanden hatte. Der historische Kirchengrund wurde „Eigentum des Volkes“ – so die damalige offizielle Bezeichnung zur DDR-Zeit – und der Rat der Stadt Bad Muskau der Rechtsträger.

Seit einigen Jahren ist der Kirchplatz in Bad Muskau nun auch offiziell ein Platz des Erinnerns und der Mahnung. Dort, wo einst die stolze Kirche stand, steht ihre Miniatur-Ausgabe, ergänzt von erklärenden Text-Tafeln. Ein Holzkreuz gedenkt der auch als „Deutsche Kirche“ bekannten Stadtkirche. Muskau hat 1959 mit der Sprengung seiner Stadtkirche mehr als nur ein herausragendes Bauwerk am Kirchplatz verloren.

Quellen und Links:

https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-erinnerung

https://www.saechsische.de/plus/kirchplatz-ohne-kirche-aber-bald-mit-kreuz-3012277.html

https://www.lr-online.de/lausitz/weisswasser/kirchen-engel-gegen-speck-und-eier-getauscht-36121226.html

Umgenutzte Kirche in Halle (Saale): St.-Ulrich-Kirche

Quelle: OmiTs / https://de.wikipedia.org/wiki/Konzerthalle_St.-Ulrich-Kirche#/media/Datei:St_Ulrich-Kirche_Leipziger_Stra%C3%9Fe.jpg

Die St.-Ulrich-Kirche – direkt an Halles Fußgängerzone Boulevard und fast gleich neben dem Marktplatz gelegen – wurde ab Mitte des 14. Jahrhunderts zunächst als Klosterkirche St. Maria errichtet. Sie gehörte zum seit 1339 ortsansässigen Serviten-Orden, der mit dem asymmetrischen Bauwerk ein Unikat unter den Hallenkirchen der Spätgotik schuf.

Erste Weihe war im Jahr 1496. Bis zur Fertigstellung vergingen Jahrzehnte: 1510 wurde das Gewölbe eingezogen, 1531 das Bauwerk vollendet. Jedoch war 1527 das Kloster des Ordens aufgehoben worden. So nutzte ab 1531 die evangelische Ulrich-Kirchgemeinde den Sakralbau – für 440 Jahre. Zwischen 1806 und 1836 diente die Ulrichskirche zusätzlich als Universitätskirche.

St. Ulrich ist eine zweischiffige Hallenkirche mit großen Fenstern, ohne Kirchturm und ohne Querschiff. Sie hat zwei Dachreiter, der Chorraum ist fünfseitig, die Pfeiler achteckig. An ihrer Nordseite finden sich Überreste der ehemaligen Klosterklausur.

Baugestalt und -ausführung sind schlicht und weitgehend schmucklos erschaffen worden – ganz im Sinne und offensichtlich nach Vorgabe des ursprünglichen Bauherrn, des Bettelordens. Ausnahmen davon sind das Sterngewölbe und das Netzgewölbe mit Blumen-Ornamenten aus spätgotischer Zeit und die Emporen der Barockzeit. Die erste Orgel der Ulrichskirche entstand im Jahr 1675. Erbaut hatte sie Christian Förner, vollendet hatte sie Ludwig Compenius. Ihr Orgelwerk hatte 35 Register auf zwei Manualen; von der Förner-Orgel blieb der barocke Orgelprospekt auf der Westempore erhalten.

1971 endete die Nutzung als Gotteshaus. Die Stadtverwaltung Halle entdeckte ihr Interesse für die Umnutzung des Sakralbauwerks, handelte mit der Kirchgemeinde einen langjährigen Nutzungs-Vertrag aus und baute es zur Konzerthalle mit 500 Sitzplätzen um. Die damalige Umgestaltung war weitreichend, die Ausstattung wurde massiv verändert. So wurden der Flügelaltar von 1488, das Taufbecken und die Kanzel entfernt – sie fanden in Magdeburgs Wallonerkirche ihr neues Zuhause. Auch wurden die barocken Emporen im Seitenschiff beseitigt.

Die damals Verantwortlichen in Halles Rathaus wollten – anders als vielerorts sonst in der DDR – tatsächlich im Kirchenbauwerk die jahrhundertealte Traditionen der Orgel- und Vokalmusik auf hohem Niveau fortführen. Das zeigt sich an der Tatsache, dass die Stadt Halle 1980 als nunmehrige Nutzerin eine neue Orgel einbauen ließ, deren umfangreiches klangliches Spektrum hochwertige Orgelkonzerte mit Musikwerken aller Epochen ermöglicht. Die heutige Konzertorgel in der Apsis schuf die Firma W. Sauer Orgelbau aus Frankfurt an der Oder. Das Instrument hat 56 Register mit einer Transmission auf drei Manualen und Pedal.

Nach viermonatiger Instandsetzung von Schuke-Orgelbau wurde die Orgel am 31. Oktober 2019 wieder in Dienst genommen: Sie bekam eine neue Setzeranlage, passend für deren Nutzung für Studierende, nutzt sie doch die Evangelische Hochschule für Kirchenmusik Halle regelmäßig für Übungs- und Prüfungskonzerte. Ihr Pfeifenwerk wurde grundlegend instandgesetzt, teilweise umgebaut sowie die Orgel vollständig nachintoniert, um den Klangcharakter den heutigen Wünschen der Organisten anzupassen, ohne ihre klangliche Grundkonzeption zu verändern.

Die Konzerthalle Ulrichskirche gilt als bedeutende Aufführungsstätte für Vokalmusik, sie dient besonders Chören als Konzert-Ort. Auch ist sie eine beliebte Adresse für die Darbietung von Jazz, Gospel und Folklore, pro Jahr erklingen dort rund 150 öffentliche Konzerte aller Art. Höhepunkte sind dabei die Händel-Festspiele, die Hallischen Musiktage und das Kinderchormusikfest.

Koordinaten: 51° 28′ 52,4′′ N, 11° 58′ 22,1′′ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Konzerthalle_St.-Ulrich-Kirche

https://www.schuke.de/?p=4196

https://www.architektur-blicklicht.de/.../halle-saale.../

Verlorene Kirche in Nordhausen: St.-Jacobi-Kirche

Die ehemalige St.-Jacobi-Kirche (3)

Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung.

Doch die Zukunft vieler Kirchen ist bedroht: Dutzende von ihnen haben ihre Funktion verloren, einige sind bereits spurlos aus dem Ortsbild verschwunden. Zeit zur Erinnerung an verschwundene Kirchen – und was mit ihnen unwiderruflich verloren gegangen ist.

Die evangelische St.-Jacobi-Kirche, auch Jakobikirche und Neustädter Kirche genannt, war ein Kirchengebäude in Nordhausen in Thüringen. Dort gab es seit dem 13. Jahrhundert die Pfarrkirche St. Jacobi: 1310 ist ihr Kirchturm erstmals urkundlich erwähnt, und 1365 wird die Kirche bei der Vereinigung der Oberstadt mit der Unterstadt genannt.

1744 wurde die baufällige Kirche abgerissen, der Kirchturm mit seiner soliden Bausubstanz blieb stehen und wurde in den Neubau einbezogen, für den auch Steine aus der Ruine des Klosters Walkenried verwendet wurden. Grundsteinlegung war am 15. Juli 1744, die Baumeister Johann Andreas Voigt aus Blankenburg, Johann Christian Eichler aus Nordhausen sowie der Stuckateur Johann Leonhard Schreiber leiteten die Geschicke. Kirchweihe war am 12. Oktober 1749. Das Kircheninnere war ein schlichter Saal, 30 Meter lang und 18 Meter breit.

Der Kanzelaltar stand vor der östlichen Empore, die Kanzel war achteckig, ihre Brüstung war mit Blumengebinden verziert. Den Schalldeckel bekrönten geschweifte Zierleisten. Abgeschlossen wurde der Kanzelaltar von einem Kruzifix mit Maria und Maria Magdalena. Den Altar mit einfachem Altartisch schuf 1749 der Bildhauer Johann Kaspar Unger.

Rechts vom Altar befanden sich lebensgroße Standbilder der Reformatoren Luther und Melanchthon aus dem Jahr 1905, erschaffen von Holzbildhauermeister Eugen Richter. Ein Kronleuchter mit zweimal zwölf Messing-Lichterarmen erleuchtete das Langhaus. Hölzerne Säulen trugen die Emporen. Eine Tafel gedachte der 134 im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindeglieder.

Am 3. und 4. April 1945 wurde das Kirchenschiff bei den Luft-Angriffen britischer Bomber-Geschwader weitgehend zerstört. Von den Bombardierungen war das Umfeld der St. Jacobi-Kirche mit am stärksten betroffen: Das Innere des Gotteshauses war vollständig ausgebrannt, übrig blieben der ausgebrannte Kirchturm und Teile der Außenmauern. Die Reste des Kirchenschiffs wurden abgetragen, um 1950 Mauerreste abgerissen.

Noch 1952 hieß es in Nordhausens Stadtbebauungsplan: „Die erhaltenen historischen Gebäude werden im Stadtbild erhalten, besonders das alte Rathaus, der Dom und die St. Blasiikirche. Von der St. Jakobi-Kirche und der St. Petri-Kirche sind nur die Türme erhalten, die gestalterisch in die neue Bebauung einbezogen werden“.

Jedoch war diese Erklärung sieben Jahre später das Papier nicht wert, auf der sie stand: Die SED-geführte Stadtleitung von Nordhausen demonstrierte am 27. September 1959 um 8 Uhr autoritär ihre Macht: Sie ließ den verbliebenen Kirchturm sprengen, danach wurde das Gelände eingeebnet und sollte zum Parkplatz umgestaltet werden. Dort, wo früher die Kirche stand, ist nun größtenteils eine Grünfläche.

Bevor die Diakonie nahe der einstigen Kirche ein Seniorenheim zu errichten begann, gab es auf dem Baugelände von März bis Oktober 1999 archäologische Ausgrabungen. Dabei fand das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie vielerlei Spuren.

So das Fundament des Kirchturms, seine Grundfläche betrug 7,90 Meter mal 9,20 Meter, die Stärke der Grundmauern 2 Meter, im Sohlenbereich sogar 2,40 Meter. Als Baumaterial waren vor allem Dolomit-, Kalk-, Sand- und Anhydritsteine aus der Umgebung der Stadt verwendet worden.

Im einstigen Mittelschiff kam der Fußboden der Kirche aus dem Jahre 1749 zum Vorschein: rote Ziegelplatten, 24 cm lang, 24 cm breit und 3,5 cm stark und von Sandsteinplatten (20 cm x 40–50 cm) eingefasst.

Der östliche Teil der zerstörten Jakobi-Kirche mit dem Chorraum konnte nicht untersucht werden: Seit den 1950er Jahren verläuft die Rautenstraße über diese Fläche des einstigen Gotteshauses. Bei deren Bau gab es weder eine Boden-Dokumentation noch eine Fundanalyse.

Blick vom Primariusgraben auf das diakonische Pflegeheim St. Jakob Haus

Standort der ehemaligen St.-Jacobi-Kirche


Mehr als 600 Jahre war St. Jacobi die Stätte festlicher Begegnung für Generationen zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Nordhausen. Sie war der vereinende Raum für Freude, Zuversicht und Hoffnung, für Kummer, Trauer und Leid.

Dort, wo ganz in der Nähe die Kirche stand, bietet nun ein kirchliches Haus pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause.

Koordinaten: 51° 29′ 56,5′′ N, 10° 47′ 36,5′′ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Jacobi_(Nordhausen)

https://kirchensprengung.de/kirchensprengung-andere

https://www.diakonie-nordhausen.de/st-jakob-haus.html

Umgenutzte Kirche in Grimma: Klosterkirche St. Augustin

Klosterkirche St. Augustin / Quelle: Holger Zürch

Kirchenbauwerke gehören in Mitteldeutschland zu fast jedem Ort. Im Alltag sind sie bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke, sie haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung. Dutzende Kirchen werden heutzutage anders als ursprünglich genutzt, so auch in Grimma.

Die Klosterkirche St. Augustin zu Grimma ist ein mächtiges Bauwerk. Erbaut um 1435, ist sie bei einer Mauerstärke von fast eineinhalb Metern rund 54 Meter lang, 12 Meter breit und 19 Meter hoch. Das markante Bauwerk, in dem einst auch Martin Luther predigte, zählt im Ensemble mit dem benachbarten Gymnasium St. Augustin zu Grimmas bekanntesten Stadtansichten.

Die Klosterkirche wurde bis zur Reformation 1529 vom Orden der Augustiner-Eremiten genutzt und war anschließend mehr als 400 Jahre lang bis 1937 die Kirche der angrenzenden Fürsten- und Landesschule zu Grimma. Mit der Bodenreform 1945 wurde die Stadt Grimma Eigentümerin der Klosterkirche – eine extrem ungewöhnliche Situation: Ein Gotteshaus in kommunistischer Hand war ein zur DDR-Zeit verhängnisvoller Umstand, denn eine historische Kirche war das Letzte, was den SED-Ortsfürsten in ihr sozialistisches Stadtkonzept passte. Daher tat man erst einmal und dann auch weiterhin so gut wie gar nichts – und überließ das Bauwerk sich selbst und damit dem stillem Verfall. Sicherungs- und Sanierungs-Arbeiten blieben lange aus.

Zwar hatte in den 1950er und 1960er Jahren die evangelische Kirchgemeinde Grimma, die in der Frauenkirche zuhause ist, zu verschiedenen Anlässen die Klosterkirche genutzt. Dazu gab es einen Vertrag mit der Stadt: Ähnlich wie Wohnungsmieter hielten die Protestanten das Gotteshaus sauber, renovierten und besserten es aus. So etwa 1960, als nach der Renovierung das schmucke, helle Kircheninnere feierlich eingeweiht wurde. Auch trat mehrfach der Kreuzchor aus Dresden auf.

Die Orgel – erschaffen 1896 von der Orgelbau-Anstalt Emil Müller aus Werdau – wurde 1959 instand gesetzt. Doch 30 Jahre später waren sowohl die Orgel als auch das Inventar der Kirche verschwunden: Als 1975 die kirchliche Nutzung endete, war der Sakralbau so gut wie nicht vor Einbruch und Diebstahl gesichert. Und so landeten die hochwertigen Orgelpfeifen – begünstigt vom Wegschauen der Behörden in Grimma und der Volkspolizei – vermutlich beim DDR-Schrotthandel.

Immerhin: 1979 wurden für 120.000 DDR-Mark der Dachreiter saniert und eine neue Wetterfahne aufgesetzt. Doch gegen das seit langem bekannte Hauptproblem, den Hausschwamm unter dem Dach, wurde nichts unternommen – und so stürzte im Sommer 1989 das morsch gewordene Dach-Gebälk an der Westseite in das Kirchenschiff. Vor Weihnachten wurden die Dach-Überreste abgebaut, das verschwammte Holz verbrannt. Von da an war das Gotteshaus Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert.

Anfang der 1990er Jahre gab es in Grimma eifrige Diskussionen zu Wiederaufbau und Umnutzung der Klosterkirche, es kursierten abenteuerliche Ideen. 1992 wurden eine Stahlbinder-Dachkonstruktion montiert (wer heute die Kirche betritt und nach oben blickt, wähnt sich in einer Industriehalle …) und der Fußboden erneuert. 1993 erhielt das 1.670 Quadratmeter große Dach neue Krempziegel, die Wände verblieben in schlichter Kahl- und Kargheit. Die Barockkanzel der Klosterkirche gelangte in die Sankt-Katharinen-Kirche in Annaberg-Buchholz, die Altar-Platte aus dem Jahr 1686 in die Kirche zu Trebsen.

Seit 1993 hängt die Augustiner-Glocke von 1491 wieder im Dachreiter der Klosterkirche und kann elektrisch geläutet werden. Dies geschah erstmals offiziell – kein Witz! – 22 Jahre später im Jahr 2015 bei Grimmas Festival der Reformation, nach 63 Jahren Läute-Pause.

Nach jahrzehntelangem Leerstand und Verfall, baupolizeilicher Sperrung und Dach-Einsturz 1989 wurde die Klosterkirche in den 1990er Jahren wieder nutzbar gemacht – mit den Schwerpunkten Kunst, Kultur und Musik. Sie ist nunmehr Konzerthalle und Veranstaltungsstätte in Grimmas Altstadt. Seit 2016 dient der Sakralbau auch als Kulisse für profanen Handel: Von Frühjahr bis Herbst finden Frischemärkte statt. Seit 2017 ist dort die Konzertreihe MDR Musiksommer zu Gast und alljährlich Grimmas Martinimarkt.

Einziger Schmuck, der an die mehr als 400jährige Nutzung als Gotteshaus erinnert, sind seit dem Jahr 1996 die beiden historischen Glasmosaik-Bildnisse von Martin Luther und Philipp Melanchthon im mittleren Kirchenfenster auf der Mulde-Seite. Diese Fenster hatte Pfarrer Helmut Berthold, einst Schüler der Fürstenschule nebenan, Anfang der 1990er Jahre der Stadtverwaltung Grimma für die Klosterkirche übergeben.

Blick in die Klosterkirche (2013), genutzt als Konzert-, Veranstaltungs- und Ausstellungs-Ort

Das MDR Musiksommer-Konzert am 7. Juli 2017 in der Klosterkirche Grimma


2017 wurde der nicht entwidmete Sakralbau als Stätte des Glaubens kurzzeitig wiederbelebt: Die Teilnehmer einer Kirchenkonferenz, die nebenan im Gymnasium tagten, nutzten ihn zum Gottesdienst. De iure ist das Bauwerk trotz seiner profanen Nutzung nach wie vor eine Kirche.

Koordinaten: 51° 14′ 6,5′′ N, 12° 43′ 49,6′′ O

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Klosterkirche_Grimma

https://www.sachsen-tourismus.de/service/points-of-interest/details/poi/klosterkirche-grimma-grimma/

https://www.leipzig.travel/de/region/kultur/poi-detailseite-region-kultur/poi/infos/klosterkirche-st-augustin-grimma/

https://www.grimma.de/info/poi/klosterkirche-900010829-27290.html

Verlorene Kirche in Leipzig: Markuskirche Reudnitz

Die Markuskirche zu Reudnitz um 1900

Reudnitz, ein Stadtteil im Osten von Leipzig, bis 1888 eigenständige Gemeinde. Wie viele sächsische Gemeinden damals mit ordentlicher Portion Selbstbewusstsein, wie die stolze Orts-Kirche mit ihrem 67 Meter aufragenden Kirchturm zeigt.

Wer heutzutage durch Reudnitz streift, hält vergeblich nach einer Kirche Ausschau. Nichts erinnert daran, dass es dort einmal ein beeindruckendes Gotteshaus gegeben hat. Es ist aus dem Ortsbild verschwunden – vor mehr als vierzig Jahren. Und offenbar auch aus der öffentlichen Erinnerung.

Die Markuskirche zu Reudnitz war ein evangelisch-lutherischer Sakralbau, sie wurde 1884 nach Plänen von Gotthilf Ludwig Möckel (1838–1915) im Stil der Neugotik errichtet. 94 Jahre später, im Jahr 1978, wurde sie gesprengt – wegen nicht verhinderter Baufälligkeit.

Sie stand auf dem Grundstück Dresdner Straße 61, wo mehr als 300 Jahre lang ein Friedhof mit einer kleinen Kapelle war.

Die aus gelbem Backsteinen errichtete Kirche war knapp 37 Meter lang und fast 29 Meter breit – also entsprechend der Platzvorgabe relativ klein. Dafür war die Turmhöhe im wörtlichen Sinne herausragend: der markante, städtebaulich dominante Kirchturm war 67 Meter hoch.

Das Kirchengebäude erstreckte sich von Süd nach Nord und lag quer zur Straße, Kirchturm und Haupteingang befanden sich an der Dresdner Straße. Nachdem die Kirchgemeinde am 1. Januar 1880 selbstständig geworden war, beauftragte sie den Architekten Gotthilf Ludwig Möckel aus Dresden mit der Projektierung ihres Kirchenneubaus. Der entwarf Gebäude samt Ausstattung, Ausmalung sowie Kirchengerät und fand damit Zustimmung.

Die Grundsteinlegung für den insgesamt 298.000 Gold-Mark teuren Bau erfolgte am 11. Mai 1882, bereits sieben Monate später war das Richtfest. Am 23. März 1884 wurde die Kirche eingeweiht, sie hieß seit 1889 „St. Markuskirche“. 1903 gestaltete Möckel sie innen farblich neu.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Markuskirche beim britischen Luftangriff auf Leipzig in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 Schäden: Druckwellen von Luftminen zerstörten zahlreiche ihrer Fenster. Doch anders als etwa die Johanniskirche, die Matthäikirche und die Trinitatiskirche in Leipzig konnte das Gotteshaus weiter genutzt werden. 1953 wurde das Kirchen-Innere umfassend erneuert, 1954 eine neue Orgel gebaut und 1957 neue Glocken geweiht.

Die Kirche diente Generationen regelmäßig zum Gottesdienst sowie zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten als Stätte festlicher Begegnung. Sie war vertrauter, heimatlicher Ort für Taufe und Konfirmation, für Trauung und Heimgang Hunderter Bürger von Reudnitz. Sie war Stätte für gemeinsame Hoffnung, Zuversicht, Freude und Leid.

Jedoch: Wegen Geld- und Material-Not in der DDR blieben in den 1950er und 1960er Jahren dringend erforderliche Bau-Erhaltungs-Arbeiten aus. Der bauliche Zustand der Markuskirche zu Reudnitz verschlechterte sich von Jahr zu Jahr.

Zwar hatte damals die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, zu der der Sakralbau gehörte, über die General-Reparatur beraten. Doch diese wurde – wohl wegen des damals als unverhältnismäßig hoch empfundenen Kostenaufwands – abgelehnt. So verfügte man schließlich 1973 das Ende des Kirchenbauwerks.

Der letzte Gottesdienst der Markus-Kirchgemeinde in ihrer Markuskirche fand am 4. November 1973 statt. 1974 wurden Kunstgut und Inventar aus dem Kirchgebäude gebracht, am 28. Februar 1978 der Grundstein der Kirche gehoben. Am 25. Februar 1978, fast viereinhalb Jahre nach ihrer letzten Nutzung, wurde das Kirchenschiff gesprengt, am 4. März 1978 der Kirchturm. Amateurfilm-Aufnahmen davon – damals wohl eher klammheimlich gedreht – sind heute bei Youtube zu sehen.

Die Trümmer der Kirche kamen nach Leipzig-Probstheida in den Park an der Etzoldschen Sandgrube – zehn Jahre zuvor waren dorthin die Reste der gesprengten Universitätskirche Leipzig gebracht worden. 1984 wurde im Markus-Pfarrhaus ein Saal zur Markuskapelle gestaltet.

Möckels Kirchen-Entwurf von 1881

Blick in die Markuskirche zu Reudnitz, Aufnahme um 1900


Die Markus-Kirchgemeinde ist bis heute ohne eigenes Kirchengebäude geblieben. Dort, wo an der Dresdner Straße 61 fast hundert Jahre die Kirche stand, ist heutzutage eine achtlos-ungepflegte Grünfläche als Warteplatz an der Straßenbahn-Haltestelle.

Reudnitz hat 1978 mit der Sprengung seiner Kirche mehr als nur sein architektonisch überragendes Wahrzeichen verloren.

Koordinaten: 51° 20′ 19,8″ N, 12° 24′ 13,2″ O

Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sammlung Leipziger Vororte Rd. 26, abgebildet in: Heinrich Magirius/Hanna-Lore Fiedler: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Sachsen. Stadt Leipzig. Die Sakralbauten. Deutscher Kunstverlag, München 1995

Quellen und Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Kirche_Reudnitz

https://dreifaltigkeitskirchgemeinde-leipzig.de/gemeinde/geschichte/

Video von der Sprengung der Markuskirche 1978: https://www.youtube.com/watch?v=TyLnGZuuz8I